tas history – vor 55 Jahren

18. Dezember 2020

TASMANIA IN DER BUNDESLIGA: 18.12.1965

SC TASMANIA 1900 – FC SCHALKE 04 1:2

Zweite Niederlage in einem wichtigen Spiel in Folge +++ Früher 0:2-Rückstand – Szymaniaks Anschlusstor kommt zu spät +++ Nun acht Punkte zum Nichtabstiegsplatz (bei einem Spiel weniger)

Tas vor dem Spiel unter Druck

Die Neuköllner hatten am vorangegangenen Spieltag eine besonders bittere Pleite hinnehmen müssen: im Duell der „Kellerkinder“ setzte es eine 1:3-Niederlage bei Borussia Neunkirchen. Anstatt also den Rückstand zu den Saarländern mit einem Sieg auf drei Punkte (bei damals geltender Zwei-Punkte-Wertung für einen Sieg) und einer eigenen Partie weniger verkürzen zu können, war dieser am letzten Spieltag vor Weihnachten auf sieben Zähler angewachsen.

S04: Nur Bundesligist wegen Tasmania?

Tasmanias nächster Gegner stand ebenfalls im unteren Drittel der Tabelle – in der Vorsaison war der FC Schalke 04 am Ende dabei sogar Letzter der Bundesliga gewesen. Den Abstieg konnten die Königsblauen dennoch vermeiden, da sich der DFB dem allgemeinen Wirrwarr um den Zwangsabstieg von Hertha BSC mit einer „salomonischen Lösung“ entzogen hatte. Die „Alte Dame“ wäre nämlich sportlich qualifiziert gewesen für die Spielzeit 1965/66 – einen entsprechenden Paragraphen für die Abstiegsregelung in einem solchen Präzendenzfall gab es jedoch nicht. So hatten die Verantwortlichen des Revierclubs Einspruch gegen ihren Abstieg eingelegt – und da mit Tasmania ein Berliner Verein am „grünen Tisch“ aufsteigen sollte, entzog sich der DFB des drohenden juristischen Hickhacks kurzerhand durch eine Erweiterung der Bundesliga von 16 auf 18 Vereine. So blieben der Karlsruher SC und eben Schalke als Letzte der Spielzeit 1964/65 erstklassig, Borussia Mönchengladbach und der FC Bayern München stiegen sportlich sowie der SC Tasmania 1900 per Beschluss auf bzw. Hertha BSC wegen Strafversetzung ab. Fertig war die Bundesliga in heute längst gewohnter Teilnehmerzahl – alles klar? Neben der politisch gewollten Teilnahme eines Clubs aus der Mauerstadt hatte der DFB mit dem auf diese Weise realisierten „Klassenerhalt“ des verdienstvollen Traditionsvereins FC Schalke 04 sicherlich eine auch für sich sehr elegante Lösung gefunden. Unter Neuköllner Zeitzeugen wird die beschriebene Lösung jedoch bis heute gerne kurzerhand so zusammengefasst: „Die Schalker sind doch nur drinnen geblieben, weil Tasmania aufgestiegen ist.“

Die „Knappen“ waren zu dieser Zeit also alles andere als eine Übermannschaft und Platz 15 vor dem letzten Spieltag der Hinrunde legte davon auch in der Tabelle Zeugnis ab. Nur zwei Spieler in ihren Reihen sind heute noch nicht nur Experten oder Fans bekannt. Klaus Fichtel wurde später zum Halter des Altersrekords eines Fußballprofis in der Bundesliga (letzter Einsatz mit 43 Jahren, 6 Monaten und 2 Tagen) – und Friedel Rausch trat auch als Trainer noch in Erscheinung. Besonders in Erinnerung bleibt jedoch die Szene, die auf einem berühmten Foto festgehalten wurde: als Rausch nämlich in Folge von Tumulten beim Revierderby im September 1969 in Dortmund auf dem Platz von einem Polizeihund in den Allerwertesten gebissen wurde. Rausch (1940-2017) ließ die Wunde noch auf dem Platz nähen und spielte anschließend weiter – andere Zeiten…

Tasmanias Optimismus im Keim erstickt

Die Hoffnung auf Seiten der Tasmanen war vor der Partie also durchaus vorhanden, mit einem Heimsieg verlorenen Boden auf Neunkirchen und den KSC, die im direkten Duell aufeinandertrafen, wieder gut zu machen. Doch es sollte anders kommen…

Durch das frühe Führungstor – der nur 1,63 Meter große Gerhard Neuser hatte eine Flanke einköpfen können – gewannen die Gäste schnell Sicherheit. Bis auf einen Schuss von „Wolla“ Neumann, den S04-Keeper Jupp Elting im Nachfassen unter Kontrolle bekam, brachten die Tasmanen in der ersten halben Stunde hingegen nach vorne nichts zu Stande. Und als man sich gerade von dem frühen Rückstand erholt zu haben schien, nutzte Harald Klose einen Pass in die Tiefe zum 0:2 für Schalke.

Im zweiten Durchgang verwalteten die Königsblauen dann den Vorsprung, Tasmania wusste jedoch mit den Räumen im Mittelfeld nicht viel anzufangen. Das Anschlusstor legte Elting dann praktisch selber vor: die Faustabwehr des Schalker Torstehers nutzte Horst Szymaniak zum 1:2. Der Nationalspieler in Reihen Tasmanias überwand Elting dabei mit einer Bogenlampe per Kopf. Doch zu spät: in den verbleibenden Minuten konnten sich die Gastgeber keine Torchance mehr erarbeiten. So blieb es beim 1:2 – und da sich parallel Neunkirchen und der KSC unentschieden trennten, wuchs der Rückstand auf die beiden anderen ärgsten Abstiegskandidaten sogar noch um jeweils einen weiteren Punkt an.

Gute Stimmung bei der Weihnachtsfeier

Die anschließende Weihnachtsfeier bei Braten und Bier in einem Lokal am Kaiserdamm ließ man sich dennoch nicht nehmen – die allgemeine Laune dort war angesichts der sportlichen Situation sogar durchaus als ausgelassen zu bezeichnen. Bezüglich Speis‘ und Trank ließ man sich dabei sowohl auf der Feier als auch an den Weihnachstagen keine großartigen Beschränkungen auferlegen – obwohl die nächste Partie, das Nachholspiel der 15. Runde gegen Braunschweig, schon für den Sylvester-Tag angesetzt worden war.

Spieldaten
1. Bundesliga, Saison 1965/66 – 17. Spieltag
Anstoß: Samstag, 18.12.1965, 14 Uhr
Stadion: Olympiastadion, Berlin
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter: Rudibert Jacobi (Heidelberg)

Tasmania: Basikow – Finken, Meißel – Konieczka, H.-G. Becker, Wähling – Bruske, Szymaniak, Zeh, Neumann, Usbeck; Trainer: Schmidt
Schalke: Elting – Becher, Rausch – Pyka, Fichtel, Pliska – Lömm, Herrmann, Neuser, Kreuz, Klose; Trainer: Langner

Tore: 0:1 Neuser (5.), 0:2 Klose (29.), 1:2 Szymaniak (82.)

Tasmania nach dem 17. Spieltag: 18. Platz, 3:31 Punkte, 8:56 Tore – 1 Sieg, 1 Unentschieden, 14 Niederlagen (16 absolvierte Spiele)

Beitrag: SV Tasmania/Hagen Nickelé

Quelle: Bundesliga-Chronik 1965/66 (Agon-Sportverlag, Kassel 2005), kicker.de.